Der Stundenlohn für studentische Mitarbeiter_innen in Thüringen liegt mit Abstand auf dem letzten Platz im bundesweiten Vergleich. Diese und andere Ergebnisse einer GEW-Studie diskutierte das HIB Thüringen am vergangenen Montag. Ein Bericht
Das Hochschulinformationsbüro Thüringen (HIB Thüringen) hatte am 10. Juni Christian Schneickert, HU Berlin, zu Gast. Er ist Co-Autor der Studie „Studentische MitarbeiterInnen – Zur Situation und Lage von studentischen Hilfskräften und studentisch Beschäftigten an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen“, die 2012 von der GEW und der Max-Traeger-Stiftung herausgegeben wurde. Die bundesweite Erhebung legt erstmals umfassend die Situation dieser besonderen Beschäftigtengruppe dar. Christian Schneickert stellte die Ergebnisse vor und ging hierbei besonders auf Thüringen ein.
Studentische Mitarbeiter_innen befinden sich in einer besonderen Doppelrolle: Student_in und Arbeitnehmer_in zu sein. Mit der Arbeit als studentische Mitarbeiter_in an Hochschulen sind Prestige und Privilegien verbunden, ein erster Einblick in den wissenschaftlichen Arbeitsalltag und der Kontakt zu Professor_innen werden möglich. Schneickert hob hervor, dass dies im Grunde innerhalb des Studiums selber gewährleistet sein müsse. In Zeiten zunehmender Studierendenzahlen rückt der Einstieg in die Uni und den Wissenschaftsapparat jedoch in scheinbar schwer erreichbare Ferne. Viele Studierende fänden daher erst mit der Anstellung als studentische Mitarbeiter_in einen Zugang hierzu. Zudem sei die Möglichkeit, mit Tätigkeiten in Lehre und Forschung auch Geld zu verdienen äußerst attraktiv. Zugleich aber sind die Arbeitsbedingungen sehr prekär, wie die Studie belegt. Die Doppelrolle als Studierende und Arbeitnehmer_innen birgt also ein Konfliktpotenzial in sich: die Abhängigkeit, bei der Arbeitgeber_in auch zu studieren und Prüfungen abzulegen.
Oft ist unklar, wer die Interessen studentischer Mitarbeiter_innen vertritt, da sie in allen Bundesländern außer in Berlin vom Tarifvertrag ausgeschlossen sind. Wenn arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen zu führen sind, fällt diese Gruppe Beschäftigter heraus. So ist der Personalrat der Uni Jena beispielsweise kein Ansprechpartner für studentische Beschäftigte. Eine Interessenvertretung laut Betriebsverfassungsgesetz fehlt damit faktisch. Hinzu kommt, dass die Vertragslaufzeiten zu kurz sind, um wirklich effektiv für sein Recht einzustehen. In Thüringen sind mehr als 90% der Verträge auf eine Laufzeit unter sechs Monaten ausgestellt. Im Publikum berichtete eine Studentin von einer Aneinanderreihung von Einmonatsverträgen, die sie selber schon an der Uni hatte. Einen anderen Fall schilderte ein Vertreter der Initiative „Ein Herz für Hiwis“ an der Uni Jena: Es sei zum Beispiel üblich, dass Tutor_innen Verträge über 47 h auf das gesamte Wintersemester für ihre Tätigkeit bekommen, diese jedoch zum 31. des Kalenderjahres enden. Trotzdem sind auch bis zu den Semesterferien im Frühjahr Lehre und Prüfungsaufsicht von ihnen verlangt worden. Sie sollten sich die Stunden somit selber auf das Semester aufteilen und nach Vertragsende weiter abarbeiten. Dass dieser Stundenumfang außerdem bei weitem den realen Aufwand nicht abdecken kann, liege klar auf der Hand. Ein „Streik“ der Tutor_innen der Initiative gegen die zusätzlich verlangte Prüfungsaufsicht konnte hier schon Verbesserungen erwirken. Mit Blick auf den Berliner „Tutor_innen-Streik“ aus dem Jahr 1986 wurde ihnen durch den Referenten Mut gemacht, sich weiter für die Veränderung ihrer Arbeitsbedingungen einzusetzen.
Die Studie weist zudem starke Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich der Entlohnung nach. Spitzenreiter bildet hier der tarifvertraglich festgelegte Stundenlohn in Berlin von 10,87 €. Schlusslicht ist Thüringen mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von 7,58 €. Darunter fallen auch Löhne von vier oder fünf Euro. Im innerthüringischen Vergleich zeigt sich, dass an der FH Nordhausen die niedrigsten Vergütungen gezahlt werden.
Ein weiteres Konfliktfeld ist die meist fehlende Aufgabenbeschreibung der Stellen. Per Definition sind studentische Hilfskräfte angestellte Studierende, die Hilfstätigkeiten in Lehre und Forschung und damit zusammenhängenden Verwaltungstätigkeiten leisten. Wer mehr als 50 % seiner Arbeit mit Aufgaben im Bereich Technik und Verwaltung verbringt, fällt somit aus dem Aufgabenfeld studentischer Hilfskräfte und müsste als Beschäftigte_r der öffentlichen Hochschule unter den Tarifvertrag der Länder fallen. Denn diese Tätigkeiten stehen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit Lehre und Forschung. Das betrifft bundesweit laut der Studie immerhin 42,1 % aller studentischen Mitarbeiter_innen.
Im Verlauf der Diskussion über Arbeitsverträge wies eine Vertreter_in von ver.di auf gravierende Folgen der gesetzlichen Einordnung der Stelle hin. Es sei unbedingt zu beachten, ob die Anstellung nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder nach Teilzeit- und Befristungsgesetz erfolgt. So seien mehrere Fälle bekannt, in denen nach Abschluss des Studiums Absolvent_innen nicht im Öffentlichen Dienst angestellt werden konnten, da sie bereits als studentische Mitarbeiter_innen durch öffentliche Hochschulen mehrfach befristet angestellt waren. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz sieht jedoch vor, dass nach zweimaliger befristeter Anstellung beim gleichen Arbeitgeber keine weitere Befristung möglich ist. Nach einem solchen Arbeitsverhältnis an der Uni ist der Weg zu einem Arbeitsplatz beim Land erst einmal verbaut. Ein Gesetz, das dem Schutz der Arbeitnehmer_innen dienen soll, wirkt sich in der Praxis als Verhinderung von Karrierewegen aus. Beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz darf die Arbeitnehmer_in dagegen sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion beschäftigt werden.
Diese und andere rechtliche Grundlagen sind dem überwiegenden Teil studentischer Mitarbeiter_innen nicht bewusst. Dass für sie trotz des Föderalismus im Hochschulwesen das Bundesurlaubsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Arbeitszeitgesetz gelten, spielt in ihrem Arbeitsalltag keine Rolle.
Ein klares Ergebnis der Befragung stellt an dieser Stelle das Auseinanderklaffen der subjektiven Wahrnehmung ihrer Arbeit und den objektiven Bedingungen dar: Studentische Mitarbeiter_innen sind trotz schlechter Arbeitsbedingungen eine sehr zufriedene Beschäftigtengruppe. Auf diesem Wege findet die Gewöhnung hochqualifizierter Arbeitnehmer_innen an sehr prekäre Arbeit statt und prägt die eigenen Erwartungen an zukünftige Erwerbsarbeit nachhaltig.
Über diese Herausforderung an Gewerkschaftspolitik diskutierte das Publikum gemeinsam mit dem Referenten. Auch die Initiative „Ein Herz für Hiwis“ am Institut für Soziologie stellte sich in diesem Zusammenhang vor und berichtete von ihren Aktivitäten und Erfolgen. Mit der Studie als Arbeitsmaterial in der Tasche und dem Wissen über Akteure vor Ort ging die Veranstaltung in angeregte Gespräche auf dem Heimweg über.