Wie macht sich das Mindestlohngesetz? Eine erste Bilanz der DGB-Jugend. Von Julia Böhnke
(Soli aktuell 5/2015) Die Einführung des Mindestlohns am 1. Januar 2015 war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber für die DGB-Jugend ist auch klar, dass die derzeitige Höhe nicht reicht. Ein selbstständiges Leben alleine oder gar mit einer Familie ist mit 8,50 Euro in der Stunde kaum zu finanzieren, und Altersarmut ist dabei auch vorprogrammiert. Wir fordern deshalb eine zügige Erhöhung auf 12,40 Euro, das entspricht ca. 60 Prozent des mittleren Einkommens bei einer 40-Stundenwoche in Deutschland – und damit den Kriterien, die die europäische Sozialcharta anlegt.
Ein Mindestlohn in dieser Höhe eröffnet den Menschen einen gerechten Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe. Denn es ist weder gerecht noch volkswirtschaftlich sinnvoll, dass Arbeitnehmer_innen ihr Leben lang erwerbstätig sind, während ihre Arbeitgeber die Unternehmensgewinne auf Grundlage niedriger Löhne ausbauen – und am Ende eine so geringe Rente erwirtschaftet wird, dass die Betroffenen Grundsicherung im Alter beantragen müssen.
Daneben möchten wir natürlich die Ausnahmen auf dem Prüfstand sehen. Dass Jugendliche unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose vom Mindestlohn ausgenommen bleiben und für Praktikant_innen Sonderregeln gelten, ist nicht akzeptabel.
Aus unserer Sicht ist zudem ein öffentliches Beschwerdemanagement samt wirkungsvollem Verbandsklagerecht dringend nötig. Nur mal so ein Beispiel aus unserer Beratungspraxis: Die junge Auszubildende zur Erzieherin meldet sich bei der DGB-Hotline. Neben ihrer Ausbildung arbeitet sie in einer Bäckerei als Aushilfe. Die junge Frau berichtet, dass ihr bisher kein Mindestlohn gezahlt werde. Der Arbeitgeber verweise darauf, sie sei ja schließlich noch in der Ausbildung!
Unser Fazit: Durch die Einführung des Mindestlohns haben sich in vielen Bereichen gesetzliche Regelungslücken offenbart. Offensichtlich haben sich einige Arbeitgeber in der Vergangenheit rechtswidrig im Bereich der Arbeitszeiterfassung, bei den Praktika und ganz generell bei der Lohnzahlung verhalten, und das ist jetzt ans Licht gekommen. Da fühlen sich wohl einige ertappt, denn die Attacken auf den Mindestlohn lassen nicht nach: Für besorgniserregend halte ich die Forderungen aus Politik und Wirtschaft nach einem »Bürokratieabbau« – Kontrollmechanismen bei der Erfassung der Arbeitszeit sind einigen wohl allzu lästig.
Wir sagen: Schutzbestimmungen für Beschäftigte stellen keine Schikane dar, sondern sind Teil der demokratischen Ordnung des Arbeitsmarkts. Dem Schreckgespenst vermeintlicher Überregulierung setzt die Gewerkschaftsjugend das Leitbild einer Re-Demokratisierung entgegen. Und das möchten wir in Zukunft sowohl als Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns wie auch aller anderen Gesetze sehen.
Julia Böhnke ist DGB-Jugend-Referentin. Weitere Infos: http://jugend.dgb.de