Der DGB hat am 11. Dezember 2012 in Berlin im Rahmen einer Fachtagung sein neues hochschulpolitisches Programm vorgestellt. Die Gewerkschaften entwickeln in diesem Konzept das Leitbild einer demokratischen und sozialen Hochschule. Die DGB-Jugend begrüßt die Beschlüsse.

(dgb-jugend, 11. Dezember 2012) Der DGB hat am 11. Dezember 2012 in Berlin im Rahmen einer Fachtagung sein neues hochschulpolitisches Programm vorgestellt. Die Gewerkschaften entwickeln in diesem Konzept das Leitbild einer demokratischen und sozialen Hochschule. Die DGB-Jugend begrüßt die Beschlüsse.

"Überfüllte Hörsäle, Vorlesungen in Kinos und Kirchen, akute Wohnungsnot - all das prägt den Alltag der Studierenden", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. Der Zugang zur Hochschule sei noch immer stark von der sozialen Herkunft abhängig. Die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen verschlechterten sich kontinuierlich. Partizipation und Mitbestimmung würden in vielen Bundesländern beschnitten. Sehrbrock: "All diese Entwicklungen zeigen: Wir brauchen dringend eine überzeugende hochschulpolitische Alternative."

Der DGB spricht sich für eine soziale und berufliche Öffnung der Hochschulen aus. "Jedem Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung muss ein Studium offenstehen. Zugangshürden wie Aufnahmeprüfungen oder lange Berufserfahrung müssen abgeschafft werden. Damit ein Wechsel aus dem Berufsleben an die Hochschule für mehr Menschen attraktiv wird, müssen sich die Studienformate ändern. Nötig sind mehr berufsbegleitende Studiengänge, veränderte Curricula und ein reformiertes BAföG ohne Altersgrenze", betont Sehrbrock. Zur sozialen Öffnung der Hochschulen gehöre auch der Ausbau des BAföGs durch einen regelmäßigen Inflationsausgleich und die Senkung des Darlehensanteils bis zur Vollförderung.
Gesprächsrunde auf der DGB-Fachtagung in Berlin: "Die demokratische und soziale Hochschule der Gewerkschaften - ein Leitbild für die Hochschulpolitik?" Es diskutieren (v.l.): Svenja Schulze (SPD-Wissenschaftsministerin NRW), Bernd Kassebaum (IG Metall), Stefanie Sonntag (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder), Helge Braun (Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung), Andreas Keller (GEW), Dorothea Hutterer (fzs)

"Das hochschulpolitische Programm beschreibt die aktuellen Probleme und Herausforderungen an den Hochschulen hervorragend", sagt Sabrina Klaus-Schelletter, bei der DGB-Jugend für Studierendenarbeit zuständig. "Für Studierende und Beschäftigte an der Universität ist es ein wichtiger Beitrag zur sozialen Öffnung und zur Demokratisierung des Studiums und der Hochschule an sich, doch noch wichtiger wird seine Umsetzung sein. Dafür müssen wir gemeinsam streiten!"
In seinem Programm fordert der DGB einen Kurswechsel bei der Bologna-Reform. "Es war falsch, ganze Diplom-Studiengänge in einen sechssemestrigen Bachelor zu pressen", sagt Sehrbrock. "Wir wollen keinen Turbo-Bachelor. Wir brauchen mehr Zeit für Bildung und einen freien Zugang zum Master."

Eine demokratische und soziale Hochschule setze gute Arbeit an den Hochschulen voraus. "Die Wirklichkeit sieht anders aus: Auf eine unbefristete wissenschaftliche Stelle kommen fast acht befristete Stellen. Mehr als die Hälfte der Fristverträge haben eine Laufzeit von unter einem Jahr. Wir brauchen eine sachgerechte Befristung, die mindestens den Projektlaufzeiten entspricht. Die Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Arbeit sind beschämend. Wir wollen deshalb, dass alle Beteiligten an den Hochschulen gemeinsam einen Index Gute Arbeit entwickeln, der zum Maßstab für die Hochschulen wird", so die stellvertretende DGB-Vorsitzende. Zudem müsse die Tarifsperre aus dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz gestrichen werden, damit die Gewerkschaften endlich Tarifverträge für die Wissenschaft aushandeln können.


Der DGB will die Demokratiefrage an den Hochschulen neu stellen. "Spätestens seit Stuttgart 21 wissen wir: Wir brauchen mehr und nicht weniger Partizipation und Mitbestimmung. Auch moderne Hochschulen brauchen ein hohes Maß an innerer Demokratie und gelebter Partizipationskultur. Wir wollen die akademische Selbstverwaltung und die Personalvertretungen stärken. Die Kontrolle der Hochschulen muss bei demokratisch legitimierten Parlamenten und Regierungen liegen - und nicht bei externen Hochschulräten. Für den Austausch zwischen Hochschule und Gesellschaft sollen plurale Kuratorien sorgen", erklärte Sehrbrock. Der Staat müsse mehr in das Hochschulsystem investieren: "Was sind eigentlich die Prioritäten in unserem Land: Wollen wir weiterhin niedrige Steuern für Vermögen und reiche Erben? Wollen wir weiterhin auf die Besteuerung von Finanztransaktionen verzichten? Oder wollen wir mehr in ein leistungsfähiges Bildungssystem investieren?" 
Die Antwort der Gewerkschaften sei eindeutig: Höhere Steuern für Vermögende und gezielte Investition dieser Mittel in Bildung und Wissenschaft. Und natürlich müsse das Kooperationsverbot für das gesamte Bildungswesen fallen.